John C. Swanson: Fassbare Zugehörigkeit

Diese Woche bieten wir ein Buch mit historischen und ethnografischen Studien an, das überraschende Fakten über das Alltagsleben der deutschsprachigen Bevölkerung in Ungarn im 19. und 20. Jahrhundert enthält.

Der Autor, John C. Swanson, wurde 1965 geboren und ist Professor an der University of Tennessee in Chattanooga. Er ist Historiker des modernen Mittel- und Osteuropas, und interessiert sich für die Themen Minderheiten, Zugehörigkeit und Nationalität. Er hat auch als Dokumentarfilmer gearbeitet, und unterrichtet an der Universität Kurse über Mitteleuropa, Osteuropa, allgemeine europäische Geschichte und historische Methoden. Zu seinen Forschungsinteressen gehören der Germanismus des 20. Jahrhunderts, die deutschsprachigen Ungarn und die schwäbische Minderheit.

Der US-amerikanische Historiker betrachtet die Geschichte der Ungarndeutschen im 20. Jahrhundert aus einer anderen Perspektive. Er untersucht die Identität am Beispiel des Deutschseins. Er geht aber nicht von einer deutschen Perspektive aus, die die Ungarndeutschen als Minderheit in Ungarn sieht und ihr eine deutsche Identität überstülpt. Genau dieses Problem nahm er bei vielen bisherigen Studien zu diesem Thema wahr. Swanson geht vielmehr vom Heimatort als Sitz und Zentrum der Identität aus. Er interessiert sich dafür, wie die Identität in diesen Orten aussah und heute noch aussieht bzw. was unter »deutsch« verstanden wurde und wird. Daraus resultiert auch der Titel des Buchs »Fassbare Zugehörigkeit«. Um dieser näherzukommen, reichte es nicht, die vorhandenen Veröffentlichungen auszuwerten. Er machte sich daran, in Ungarn und Deutschland Personen zu befragen, um ein möglichst authentisches Bild zu erhalten. Da der Untersuchungszeitraum im 19. Jahrhundert beginnt, war es natürlich unmöglich, Menschen zu finden, die diese Zeit noch persönlich erlebt hatten. Darum hat er die vom im 20. Jahrhundert gelebten Ethnografen Eugen Bonomi durchgeführten Interviews analysiert. Swanson untersuchte Kirchenbücher, andere historische Dokumente und arbeitete sich durch eine Vielzahl von Veröffentlichungen. Die Befragungen von Kontaktpersonen arbeitete er ganz bewusst ins Buch mit ein: Jedes Großkapitel beginnt mit der Vorstellung einer Person und ihrer Ansichten. Das macht dieses Werk sehr persönlich. 

Wir empfehlen dieses Buch allen, weil es gut lesbar und spannend ist bzw. zeigt, wie wichtig es ist, die vermeintlich bekannte Geschichte der Ungarndeutschen aus einer anderen Perspektive zu betrachten.

John C. Swanson: Fassbare Zugehörigkeit. Deutschsein im Ungarn des 20. Jahrhunderts
Regensburg : Verlag Friedrich Pustet, 2020
520 Seiten
Sprache: Deutsch

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