Nach der Ansiedlung konnten die Deutschen in Ungarn eine längere Zeit fast ungestört leben. Abgesehen von der Assimilation der städtischen Bevölkerung im 19. Jahrhundert hat sich in den ungarndeutschen Gemeinschaften der Siedlungen nicht vieles verändert. Der Friedensvertrag von Trianon im Jahre 1920 führte dazu, dass das Ungarndeutschtum mit seinen um die 500.000 Angehörigen unter den im Land verbliebenen anderen Nationalitäten die größte wurde, es aber von der Assimilation gefährdet war. Jakob Bleyer und seine Anhänger erkannten, dass die Volksgruppe sich, um diese zu vermeiden, politisch organisieren und eine sprachlich-kulturelle Autonomie sichern muss. So wurde 1924 der Ungarnländische Deutsche Volksbildungsverein gegründet. Nach Bleyers Tod entstand 1933 ein Vakuum in der ungarndeutschen Nationalitätenpolitik. Der von dem radikalen Franz Anton Basch 1938 gegründete Volksbund der Deutschen in Ungarn blieb bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs die einzige legitime Organisation für die Ungarndeutschen. Obwohl es am Anfang nicht klar ausgesagt wurde, waren die Bestrebungen und Ziele des Volksbundes von Hitlerdeutschland abhängig und die Organisation war ihm völlig ausgeliefert. Die ungarische Regierung hat mit der Zulassung der SS-Rekrutierungen die kriegsfähigen Männer der Volksgruppe praktisch dem reichsdeutschen Kriegsapparat ausgeliefert. Das Ende des Zweiten Weltkriegs bedeutete für die Ungarndeutschen nicht den Wiederaufbau, den Frieden oder den Neubeginn, sondern den Anfang des Leidens. Zehntausende wurden in die Sowjetunion zur Malenkij Robot verschleppt und Hunderttausende enteignet, entrechtet oder nach Deutschland vertrieben.
2016 war der 70. Jahrestag der Verschleppung und Vertreibung der Ungarndeutschen. Aus diesem Anlass wurde dieser – erstmals 2001 erschienene – Band im Herbst 2016 als unveränderter Nachdruck von der Deutschen Selbstverwaltung Nadasch/Mecseknádasd herausgegeben. Dieser beinhaltet zwei Beiträge. Der erste, längere wurde mit dem Titel Die Geschichte der Ungarndeutschen in Nadasch zwischen 1930 und 1950 von Mária Makk, der zweite, kürzere mit dem Titel Bestrafung einer Volksgruppe von Erzsébet Dékány geschrieben. Der erstere beinhaltet eine detaillierte Beschreibung der örtlichen Geschehnisse. Die Autorin geht auch auf die Großpolitik ein, damit der Leser die Prozesse und Zusammenhänge besser verstehen kann. Man kann unter anderem über den Volksbund und auch über die SS-Rekrutierungen in Nadasch lesen. Die Beschreibung der Verschleppung der Nadascher zur Malenkij Robot basiert teilweise auf den mündlichen Überlieferungen von Überlebenden. Hier kann man auch darüber lesen, dass viele daran glaubten, dass sie den Flughafen in Fünfkirchen/Pécs sauber machen oder in der Batschka Mais brechen müssen. Bei der Reise wurden sie von mildherzigen russischen Soldaten zur Flucht aufgefordert, diese mahnten sie sogar, dass sie in die Sowjetunion verschleppt werden, was sie aber nicht glaubten. Über die Geschichte und Umstände des Internierungslagers in Lendl/Lengyel, in dem auch Nadascher interniert gewesen sind, berichtet uns auch ein ganzes Kapitel. So auch ein weiteres über die Vertreibung. Ursprünglich plante man bei der Vertreibung der Nadascher zwei Züge nach Deutschland zu schicken, wovon nur einer im Juli 1946 losfuhr, der aber von der Grenze der amerikanisch-russischen Zone aus Österreich nach Ungarn zurückgeschickt wurde. So wurden die Vertriebenen in Hajosch/Hajós bei anderen Ungarndeutschen untergebracht. Viele flüchteten inzwischen zurück nach Nadasch. Letztlich fuhr der Zug am 10. Dezember von Kecel aus los. Was mit den Hinterbliebenen geschehen war und welche Schwierigkeiten sie mit den neu angesiedelten Szeklern und Ungarn aus Oberungarn gehabt hatten, beschrieb die Autorin ebenfalls. Die einzelnen Kapitel sind mit Archivfotos aus der Zeit illustriert. Im Anhang befinden sich weitere Archivaufnahmen und Dokumente bezüglich der behandelten Themen wie eine Liste der deutschen Vertriebenen und der ungarischen Ansiedler. Die Arbeit von Erzsébet Dékány ist eine kurze, aber sehr ausführliche Abhandlung über die Verschleppung der Nadascher in die Sowjetunion und das Schicksal der zu Hause Gebliebenen. Diese enthält weiterhin eine Liste der Namen der verschleppten Personen bzw. anspruchsvoll zusammengestellte Archivfotos und Dokumente über die Verschleppung.
Das Buch empfehlen wir allen, die mehr über die Geschehnisse und Schicksalsschläge der Nadascher Ungarndeutschen zwischen 1930 und 1950 erfahren möchten. Obwohl das Werk ortsspezifisch ist, kann es auch für weitere Forschungen sehr nützlich sein.
Unser Schicksal
(Die Geschichte der Ungarndeutschen in Nadasch zwischen 1930 und 1950 von Mária Makk. Bestrafung einer Volksgruppe von Erzsébet Dékány)
Mecseknádasd : Német Önkormányzat Mecseknádasd, 2016.
165. S., Ill.
Sprache: Deutsch
Die empfohlenen Bücher sind in der Sammlung der Ungarndeutschen Bibliothek – wenn nichts weiteres Angegeben- nur zur Leihe zugänglich.
Weitere Informationen: info@bibliothek.hu