Die wechselhafte Geschichte Ungarns und die geopolitische Lage des Landes führten dazu, dass es seit der Staatsgründung immer eine multiethnische Bevölkerung hatte. Bemerkenswert dabei ist, dass es innerhalb des Landes auch komplette Kleinregionen gibt, die diese Art von Vielfältigkeit bis heute aufweisen können. Ein gutes Beispiel dafür ist der Talboden, wo sich während seiner Geschichte zwei größere ethnische Umwälzungen vollzogen. Der erste größere Wandel erfolgte während und nach der Türkenherrschaft, als sich die ungarische Bevölkerung wegen der Kriege verringerte bzw. Serben und deutsche Kolonisten angesiedelt wurden und sie dieses Gebiet wieder bevölkerten. Der Talboden entwickelte sich somit zu der von Ungarndeutschen am dichtesten besiedelten Region in ganz Ungarn. Der zweite größere Wandel ereignete sich in der Mitte des 20. Jahrhunderts, als Tausende von Ungarndeutschen vertrieben und an ihrer Stelle Szekler aus der Bukowina und Ungarn aus Oberungarn umgesiedelt wurden.
In dem hier empfohlenen, 2011 herausgegebenen Studienband geht es hauptsächlich um Spuren des architektonischen Erbes sowie die einstigen und erhaltenen Traditionen der verschiedenen Nationalitäten im Talboden. Er beinhaltet 21 verschiedene Vorträge, die auf der Konferenz „V. Völgységi Konferencia” 2010 in Bonnhard/Bonyhád präsentiert wurden. Besonders informativ ist schon das Einführungsreferat von Bertalan Andrásfalvy, in dem er die bäuerlichen Wertordnungen der Ungarn und Ungarndeutschen im Talboden vergleicht. Im Vortrag von Anna Dobosy-Antal geht es um eine weniger behandelte Thematik, nämlich um die ungarndeutschen Fachwerkhäuser in der Kleinregion. Hier wird nicht nur die örtliche Geschichte dieser aus deutschem Sprachgebiet mitgebrachten Volksarchitektur dargestellt, sondern auch über den heutigen Zustand einzelner Häuser in Nadasch/Mecseknádasd, Hidasch/Hidas, Kleinmanok/Kismányok, Schiewrek/Zsibrik oder Sawed/Závod berichtet. Im Beitrag von Gábor Szász kann man über den beispielhaften Denkmalschutz in Sawed lesen. Die Gemeinde wurde wegen der Rettung und Aufbewahrung der Fassaden der einst von Ungarndeutschen erbauten Häuser 2007 mit einem landesweiten Denkmalschutz-Preis (Helyi Építészeti Örökség Nívódíj) ausgezeichnet. In der Abhandlung von Theresia Rónai kann man über die Lieder und Singbräuche der katholischen Ungarndeutschen in Ziko/Cikó lesen. Hier wird auch darüber berichtet, welche Lieder dank des örtlichen Chores auch heute erklingen. Die Bräuche bezüglich der Meilensteine des ungarndeutschen Alltagslebens vor 1945 in Kleinmanok/Nagymányok nimmt Elza Hadikfalvi in einem volkskundlichen Vortrag unter die Lupe. Hier ist die Forscherin auf etwas besonderes gestoßen: Im religiösen Leben vermischen sich trotz der Frömmigkeit der örtlichen Ungarndeutschen auch heute noch christliche und heidnische Elemente. Wie schon angedeutet, geht es im Studienband nicht nur um die Ungarndeutschen dieser Kleinregion, sondern auch um die Kultur der Juden, Szekler oder Serben. Wer sich für sie interessiert, kann natürlich vieles auch über sie erfahren.
Wir empfehlen diesen Studienband allen, die sich neben dem kulturellen Erbe der Ungarndeutschen und anderen Nationalitäten einer einst von Schwaben geprägten Kleinregion auch für ihre heute belebten Traditionen interessieren.
Szőts Zoltán (szerk.): Kultúrák találkozása a Völgységben. Előadások az V. Völgységi Konferencián (2010. november 25.)
[Begegnung von Kulturen im Talboden. Vorträge des 5. „Völgység”-Konferenz (25. November 2010)
Bonyhád : Magyar Történeti Társulat Dél-Dunántúli Csoportja, MTA Pécsi Akadémiai Bizottsága Város és Helytörténeti Munkabizottsága, Völgységi Múzeum, 2011.
206. S., Ill.
Sprache: Ungarisch mit deutscher und englischer Zusammenfassung der Studien
Die empfohlenen Bücher sind in der Sammlung der Ungarndeutschen Bibliothek – wenn nichts weiteres Angegeben – nur zur Leihe zugänglich.
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