Stefan Raile: Von Vaskút nach Görlitz oder Sehnsucht nach Schneewittchen

Umschlag des Buches

Der 19. Januar wurde 2012 durch einen Parlamentsbeschluss der nationale Gedenktag der Verschleppung und Vertreibung der Ungarndeutschen. Dieses Datum wurde aus dem Grund gewählt, weil der erste Transport mit Ungarndeutschen genau an dem Tag im Jahre 1946 verschickt worden war. Nach der Wende erschienen – meistens von Historikern – zahlreiche Diplomarbeiten, Publikationen und vor allem Studien zum Thema. Obwohl auch literarisch vieles aufgearbeitet wurde, gibt es ziemlich wenige Romane, in denen es um das Schicksal der Ungarndeutschen geht oder deren Vertreibung als Hauptthema genommen wird.

 

 

 

 

 

Es ist äußerst erfreulich, dass nun dieses Werk von dem aus Waschkut stammenden Stefan Raile 2018 erschien. Der ungarndeutsche Autor ist 1937 als Stefan Schoblocher in diesem schwäbischen Dorf der Batschka geboren. Mit seiner Familie wurde er 1947 nach Görlitz, in die spätere DDR vertrieben. Nach seinen Studien ist er freier Schriftsteller geworden und schreibt unter dem Pseudonym Stefan Raile. Dem mit mehreren literarischen Preisen ausgezeichneten Schriftsteller ist die Veröffentlichung von Werken zum Thema Vertreibung erst seit der Wende möglich.
Wie das Leben des Autors, beginnt der Roman ebenfalls in Waschkut, wo das Schwabenkind Jani, der Ich-Erzähler, noch den Kindergarten besucht und wir aus seiner Perspektive über die Geschehnisse erfahren. Die gesellschaftliche und Schicksalsänderungen sind kaum zu befolgen. Er sieht, wie das Geschäft der netten jüdischen Ladenbesitzer von den Dorfbewohnern geplündert und dieser mit seinen zerlumpten Schicksalsgenossen durch die Hauptstraße getrieben wird. Es kommt ziemlich rasch zu jener Zeit, als er Auseinandersetzungen mit den aus der Slowakei umgesiedelten Ungarn, den „Telepes”-Jungen, hat, denn er gehört der Gruppe der einheimischen Schwabenkinder an. Er hofft, dass seine Familie durch die Vertreibung nach Görlitz zumindest dieser Problematik entgeht. Diese Art von Problemen folgen ihm aber auch dorthin, er muss erleben, dass ein Vertriebener als ein Eindringling gilt und sich als noch fremder als ein „Telepes” in Vaskút fühlt. In der neuen Heimat ist er nicht nur wegen seiner ungarndeutschen Mundart anders, sondern auch wegen seines Haarschnitts, seiner von der Sonne bräunlichen Haut und schließlich auch wegen seiner schlechten Rechtschreibung in deutscher Sprache. Er wird immer und wieder von den einheimischen Jungen angegriffen, befreundet sich aber schnell mit den anderen Flüchtlingsjungen aus Ostpreußen und Schlesien. Sie bilden letztendlich eine Gruppe. Es befinden sich immer und wieder Raufereien und Feindseligkeiten, die sich kein Ende zu nehmen scheinen, und nur die Schulferien den Jungen Ruhe und Frieden bereiten.
Letztendlich entfaltet sich durch diese realistische und bildhafte Erzählung, wie er und seine Familie die Schicksalsschlägen der Vertreibung zu bewältigen versuchen.

Wir empfehlen das Werk Allen, die über die Tragödie der Vertreibung der Ungarndeutschen und die Schwierigkeiten in der neuen Heimat in Form eines Romans lesen möchten.

Stefan Raile: Von Vaskút nach Görlitz
oder Sehnsucht nach Schneewittchen
Roman einer Vertreibung
Göttingen : HeRaS Verlag, 2018.
207 S.
Sprache: Deutsch

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