Heutzutage ist Migration ein aktuelles und höchst umstrittenes Thema der europäischen Politik. Dabei wird es heute eher selten darüber nachgedacht, dass die räumliche Bewegung von kleineren oder größeren Menschengruppen schon seit der Geburt der Menschheit andauert. Völker, Völkergruppen, verschiedene Gemeinschaften wagten sich im Laufe der Geschichte oft einen gefährlichen Weg in die unbekannte Ferne aus den verschiedensten Gründen wie Hungersnot, Krieg oder Überbevölkerung. Meistens wollten sie bessere Lebensumstände für sich und ihre eigene Familie schaffen. Nicht selten waren sie aber auch dazu gezwungen, die alte Heimat zu verlassen. Die von den Habsburgern geregelte Ansiedlung der deutschen Kolonisten auf den von der Türkenherrschaft befreiten Territorien Ungarns im 18. Jahrhundert war eine der erfolgreichsten Unternehmungen in der europäischen Geschichte.
Dr. Márta Fata, die Autorin des hier empfohlenen, 2020 herausgegebenen Fachbuches ist als Professorin an der Universität Tübingen und Mitarbeiterin des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde (IdGL) eine der bekanntesten HistorikerInnen der donauschwäbischen und somit auch der ungarndeutschen Geschichtsforschung. Dieser Band ist vor allem als einführendes Lehrbuch für das Geschichtsstudium gedacht. Es eignet sich jedoch für alle, die sich für die neueste Lage des historischen Forschungsstandes bezüglich der Migration in der Frühen Neuzeit interessieren. Im Werk wurde der räumliche Schwerpunkt auf die Binnenmigration sowie die Ein- und Auswanderung in das bzw. aus dem deutschen Sprachgebiet gesetzt. Die spanische und britische Kolonisation in Amerika und der afrikanische Sklavenhandel werden aber auch angesprochen. Die Autorin hat ihre Untersuchungen in zehn Themenfelder aufgeteilt. In einem dieser kann man über die neuen Dimensionen der Migrationen in der mit der Entdeckung Amerikas veränderten Welt lesen. Die Bevölkerungstheorien der verschiedenen Herrscher, die Migrationssteuerung, die religiös motivierte, die Bildungs- sowie die militärische und kriegsbedingte Migration wird auch unter die Lupe genommen. Im Werk tauchen mehrere, bislang unbekannte, interessante historische Besonderheiten auf. Ein solcher ist zum Beispiel die Erwähnung eines Gesprächs, in der es zu lesen ist, dass 1681 dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg die Rekrutierung von 10.000 afrikanischen Sklaven vorgeschlagen wurde, aber er sich letztlich für 10.000 französische Hugenotten entschied. Die Ansiedlung der deutschen Kolonisten in Ungarn, ihre Motivationen zur Auswanderung und die Umstände in der alten sowie neuen Heimat wurde ebenfalls behandelt. Ihre Ansiedlung wurde mit der Kolonisation in Brandenburg-Preußen sowie in Nordamerika auch verglichen. Dabei machten sie mit einer Anzahl von 350.000 angesiedelten Menschen die größte deutsche Kolonistengruppe der Epoche aus.
Wir empfehlen dieses Buch allen, die sich für die neuesten Theorien, Methoden und Gebiete der frühneuzeitlichen Migrationsforschung interessieren, und über die Ansiedlung der deutschen Kolonisten in Ungarn aus neuen Blickwinkeln lesen möchten.
Dr. Márta Fata: Mobilität und Migration in der Frühen Neuzeit
(Mobilitás és migráció a kora újkorban)
Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 2020.
245.S., Ill.
Sprache: Deutsch
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