Die Ungarndeutsche Bibliothek erhielt kürzlich dank Katharina Eicher-Müller ein wertvolles Buchgeschenk. Ihr Onkel, Josef Negeli, ist ein in Kockersch geborener Schwabe, und er bat seinen ältesten Sohn, nachdem er die Geschichte seines Lebens aufgeschrieben hatte, diese in Buchform zu veröffentlichen. Der jüngere Josef Negeli interessierte sich immer für die tragische Geschichte seines Vaters. Seine Mutter, die ebenfalls schwäbischer Herkunft war, wurde in Batschsentiwan in Jugoslawien geboren, später flohen sie und ihre Familie aus dem Lager in Gakowa nach Österreich. Katharina war nie in der Lage, ihren Kindern ihre Geschichte vollständig zu erzählen, denn für sie war diese eine traumatische Erinnerung, die sie für immer begleitete. Aus den Aufzeichnungen von Josef Negeli sen. entstand schließlich das Buch Meine Flucht ins Leben, das nun in unserer Bibliothek ausgeliehen werden kann.
Josef Negeli ist am 23. März 1929 in Kockersch, einem ungarndeutschen Dorf im Komitat Tolnau, zwischen Seksard und Bonnhard geboren. Bis in die 1930er Jahre war Kockersch ein rein schwäbisches Dorf, in dem kaum ungarische Familien lebten. Die Vorfahren des Autors wurden alle in Kockersch geboren, seine Urahnen wanderten Ende des 17. Jahrhunderts in das Land ein und ließen sich in den entvölkerten Gebieten nieder. Um an sie zu erinnern, errichteten die Kockerscher ein Ulmer-Schachtel-Denkmal.
Das Buch, das auch als Autobiografie betrachtet werden kann, ist in drei Teile gegliedert. In der ersten wird die glückliche Kindheit und Jugend in Kockersch und der damalige Alltag beschrieben. Es werden Mitglieder seiner Familie vorgestellt und wird in tagebuchartiger Form geschildert, wie ein Schweineschlachten oder eben eine Baustelle aussieht. Im zweiten Teil geht es um die Situation während des Zweiten Weltkrieges. Im Mittelpunkt steht der Leidensweg des damals erst 15-jährigen Josef Negeli während seiner Flucht. Er schafft es bis in die Stadt Sierning in Oberösterreich, wo er sich niederlässt. In diesem Kapitel schildert er detailliert auch das Schicksal anderer Flüchtlinge und Soldaten. Im letzten Teil geht es darum, wie er sich in Österreich einlebt, wie er im neuen Land zurechtkommt, wie er eine Partnerin findet und wie er Kinder und ein Haus bekommt. Es werden auch solche Dinge wie die Erlangung der Staatsbürgerschaft oder den Kauf eines Autos erwähnt, die wichtige Meilensteine darstellen, da er in seiner neuen Heimat ganz von vorne anfangen musste.
Am Ende des Buches veranschaulichen Bilder, Briefe und eine Karte dem Leser die vielen Ereignisse und Einflüsse, die den Autor geprägt und zu dem Mann gemacht haben, der er heute ist. Wir empfehlen es daher allen, die individuelle Schicksalsgeschichten mögen, die dazu beitragen können, sich weiter zu entfalten.
Josef Negeli: Meine Flucht ins Leben. Autobiografie
Sierning : Eigenverlag, 2022
104 Seiten
Sprache: Deutsch
Die empfohlenen Bücher sind in der Sammlung der Ungarndeutschen Bibliothek – wenn nichts weiteres Angegeben – nur zur Leihe zugänglich.
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