Es gibt kaum eine ungarndeutsche Familie, die nicht von den tragischen Geschehnissen während des Zweiten Weltkriegs und danach in irgendeiner Weise betroffen war. Die Rekrutierungen in die ungarische Armee und in die SS, die Befreiung und gleichzeitige Besetzung durch die Sowjetarmee, die Verschleppungen zur Malenkij Robot, die Enteignungen, Entrechtungen und Vertreibungen waren für Zehntausende von Ungarndeutschen harte Schicksalsschläge. Diese konnten oft nur durch gute Kontakte, engen familiären Zusammenhalt und ein wenig Glück überwunden und überlebt werden. Obwohl mit der Verordnung Nr.84/1950 des Ministerialrates die Wiederherstellung und Gleichberechtigung der in Ungarn verbliebenen Ungarndeutschen gesichert wurde, waren die Angehörigen der Volksgruppe de facto mit der Mehrheitsbevölkerung noch jahrzehntelang nicht gleichgestellt. Für die in der BRD lebenden Vertriebenen wurde das Leben von Jahr zu Jahr besser. So ist es erstaunlich, dass während und nach der Revolution von 1956 die Ungarndeutschen nur etwa 5 Prozent der nach Westen Geflüchteten ausmachten.
Wie es sich auch anhand des Bestandes der Ungarndeutschen Bibliothek beweisen lässt, wurden die vorhin erwähnten Geschehnisse in zahlreichen historischen Fachbüchern, sogar in Biografien und Interviewbänden aufgearbeitet. Werke wie der hier empfohlene, von Mária Somogyi-Bergmann geschriebene und 2020 herausgegebene, auf wahren Begebenheiten basierende historische Familienroman zählen jedoch eher zu den Raritäten. Wie schon der Titel – Menekülés (Flucht) – besagt, geht es in dieser Geschichte um das Überleben und Überwinden von Schicksalsschlägen. Menyhért (Melchior), der Protagonist, erblickt in einer wohlhabenden ungarndeutschen Bauernfamilie in Tschasartet/Császártöltés das Tageslicht und verbringt eine sorglose Kindheit in den 1930er Jahren in der Batschkaer Siedlung. Die ersten Schwierigkeiten treten dann auf, als der Vater von ihm die Weiterführung der Bauernwirtschaft und um die Vermehrung und Sicherung des Familienvermögens zu sichern, die Heirat mit einer wohlhabenden Bauerntochter verlangt. Er muss sich aber nicht nur seiner wahren Liebe stellen. Aus der spannenden Erzählung erfährt man auch, wie die Familie von dem Zweiten Weltkrieg, der Ankunft der Sowjetarmee, den Verschleppungen zur Malenkij Robot, den Enteignungen und Vertreibungen betroffen wird, und wie das Leben in den 1950er Jahren war. Abschließend wird auch die Problematik einer Flucht nach der 1956er Revolution zu einem vertriebenen Familienmitglied nach Stuttgart näher beleuchtet. Die Familienmitglieder konnten die Schwierigkeiten nur mit Ausdauer, Willenskraft und gegenseitiger Hilfe bzw. durch den Zusammenhalt und die Hilfsbereitschaft anderer Menschen überwinden. Das Werk ist zugleich ein historischer Familien- und Liebesroman, wobei uns die Autorin darauf hinweist, dass man im Leben nicht nur auf sich selbst und die Familie, sondern auch oft auf die Hilfe der Mitmenschen hoffen und vertrauen kann.
Wir empfehlen diesen auf wahren Begebenheiten basierenden Roman allen, die sich für das wechselhafte Schicksal einer ungarndeutschen Familie aus der Batschka um und nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Fluchtmöglichkeit in den Westen nach der 1956er Revolution interessieren.
Somogyiné Bergmann Mária: Menekülés
(Flucht)
Kiskőrös : Selbstverlag, 2020.
223 S.
Sprache: Ungarisch
Die empfohlenen Bücher sind in der Sammlung der Ungarndeutschen Bibliothek – wenn nichts weiteres Angegeben – nur zur Leihe zugänglich.
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