Wie auch in weiten Teilen der Welt, gedenken wir auch in Ungarn landesweit zu Allerseelen (2. November) unserer Toten. Dieser Tag ist inzwischen mit dem Feiertag der Allerheiligen (1. November) verknüpft, wobei viele die Blumen und die Kerzen für die Verstorbenen schon an diesem Tag auf den Friedhof bringen. Man erinnert sich dabei an die, die nicht mehr unter uns auf der Erde sind, und an die Ahnen, die wir nicht kannten, aber denen wir eigentlich unser Dasein in dieser Welt in der Gegenwart zu verdanken können. An diesen Tagen wird den Kindern ein bisschen mehr erzählt und die Realität der Vergänglichkeit – wogegen wir ein Leben lang kämpfen – kommt uns auch stärker in den Sinn.
Dieses Werk ist die dritte, umgearbeitete Ausgabe von Úton a budaörsi Ótemetőbe (Auf den Weg in den Alten Friedhof in Wudersch), vom Autor Pál Závada. Darin geht es eigentlich nicht um die Gedenkstätte, sondern um das Erinnern an die ungarndeutsche Vergangenheit der Siedlung. In der ersten Ausgabe war der Text von Závada mit den Fotografien von Miklós Szüts über den Alten Friedhof von Wudersch illustriert. In dieser umgearbeiteten wurden aber andere Fotoillustrationen benutzt und eher dem Erzählten angepasst.
Gleich auf der ersten Seite befindet sich Goethes Gedicht Wanderers Nachtlied und dessen ungarische Übersetzung von Árpád Tóth. In der Handlung begleitet den Leser einen Wanderer, dessen Figur Závada vermutlich aus Goethes Gedicht genommen hat. Dieser merkwürdige, außergewöhnliche Wanderer altert nicht, er ist unermüdlich und immer jung, dazu ist er aber kein Fremder, er ist bei den Bewohnern der Siedlung immer willkommen auch wenn er öfters die Frauen verführt. Er taucht immer bei den wichtigsten Geschehnissen von Wudersch auf. Dabei mischt er sich nie ein, fällt nie Urteile über anderen oder über das Geschehene, er ist einfach ein objektiver Zeitzeuge, der immer anwesend ist. Vielleicht könnte man ihn als eine Allegorie der Zeit betrachten.
Die Handlung beginnt mit der Ansiedlung der ersten Deutschen in Wudersch, nachdem fünf Kolonisten den Ansiedlungsvertrag 1721 mit der Gräfin Zichy, Zsuzsanna Bercsényi, abgeschlossen haben. Auf den folgenden Seiten können wir sehen, wie die Siedlung trotz des Ausbruchs und der Folgen der Pest in der Mitte des 18. Jahrhunderts immer mehr deutsche Einwohner hatte und immer weiter ausgebaut wurde. Über die wichtigsten örtlichen Geschehnisse und Eigentümlichkeiten wird in belletristischem Stil berichtet, Daten und Fakten werden mit der Fiktion des Autors vermischt und vor unseren Augen erscheint eine Art gedichtete Ortsmonografie. So können wir beispielsweise über den Eremiten Franz Wendler lesen, der die Marienkapelle auf dem Steinberg errichtete. Wanderer erzählt uns, dass die örtlichen Schwaben nicht nur Weinbau betrieben, sondern auch Tafeltrauben und Pfirsich in Budapest und sogar im Ausland vermarkteten. Die berühmten Passionsspiele auf dem Steinberg bleiben natürlich auch nicht aus dem Erzählten. Die Geschichte endet mit der Tragödie der Vertreibung der Ungarndeutschen. Wanderer sieht noch zu, wie der Sozialismus und die geräuschvolle Autobahn ausgebaut werden und die Siedlung sich mit dem Einzug der neuen Bewohner verändert. Letztlich sucht und findet er dennoch seine Ruhe im Alten Friedhof, wo auch die Ahnen der Wuderscher Ungarndeutschen ruhen.
Das Buch empfehlen wir allen, die eine mit Archivfotos reich illustrierte, literarische Erzählung lesen möchten, die mit ortsmonografischen Charakterzügen über die Wuderscher Ungarndeutschen geschrieben wurde.
Závada Pál: Wanderer
Budapest : Magvető Könyvkiadó és Kereskedelmi Kft, 2020.
(Dritte, umgearbeitete Auflage)
127. S.,Ill.
Sprache: Ungarisch
Die empfohlenen Bücher sind in der Sammlung der Ungarndeutschen Bibliothek – wenn nichts weiteres Angegeben- nur zur Leihe zugänglich.
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