Mit dem Ausbruch des Frühlings beginnt jedes Jahr die Wiedergeburt und das Erwachen der Natur aus dem Winterschlaf. An diese Zeit knüpfen sich auch viele Feste wie Ostern, das als der Höhepunkt des Kirchenjahres gilt. Im Leben der Ungarndeutschen spielte Religiosität immer schon eine identitätsstärkende und wichtige Rolle. So verknüpfen sich mit dem kirchlichen Osterfestkreis auch viele ihrer Osterbräuche, die sogar die schwere Zeit nach der Vertreibung, als viele vorhin geschlossene ungarndeutsche Siedlungsgemeinschaften aufgelöst wurden, überstehen konnten und bis heute ausgeübt werden. Eine der bekanntesten ungarndeutschen Sitten dieser Art ist der Emmausgang in Bohl, der dort seit mehr als 150 Jahren ununterbrochen gefeiert wird. Der zählt seit 1996 nicht nur zum geistlich-kulturellen Kulturerbe des Komitates Branau (Baranya Megyei Értéktár), sondern wurde 2011 auf die Landesliste der „Hungarika” des Ungarischen Kulturerbes (Magyar Értéktár) aufgenommen.
In diesem 2021 zu Ostern herausgegeben Fotobuch kann man über die Entstehung der Tradition des Emmausgangs in Bohl viel erfahren. Seit der Ansiedlung der deutschen Kolonisten im 18. Jahrhundert war in der heutigen Kleinstadt etwa 200 Jahre lang – bis zur Vertreibung – fast ausschließlich deutsches Wort zu hören (die Gemeinde hieß auch deshalb lange Deutschbohl). Auf den umliegenden Hottern fingen die Einwohner an, nachdem sie vom Grundherrn Iván Batthyány 1809 für Weinanbau eignende Grundstücke erhalten hatten, Trauben anzupflanzen, Wein herzustellen und Presshäuser zu bauen. In der Nähe der Kellerreihen wurde 1843 auf dem Kalvarienberg eine Kapelle erbaut, in der die Messen zu Ostermontag abgehalten und auch das Lukas-Evangelium über den Gang nach Emmaus vorgelesen wurden. Die Männer gingen nach der Messe mit ihren Freunden immer in die nahe liegenden Keller, um Wein zu trinken und sich zu amüsieren. Da sie sich wegen ihres „eigenen Emmausgangs” vom Mittagessen verspätet hatten, gesellten sich mit der Zeit auch die Frauen und Kinder zu ihnen. Der Emmausgang wurde von Jahr zu Jahr ein Anlass zum gemütlichen Beisammensein der Bohler. Der Brauch war sogar auch nach der Vertreibung der Deutschen von den in der Kleinstadt angesiedelten Ungarn schnell übernommen und von da an feierte man gemeinsam. Die jahrhundertealte Tradition wurde auch seit ihrer raschen Verbreitung ab Mitte des 19. Jahrhunderts in Bohl visuell, in Form von Fotografien – eigentlich parallel zur Verbreitung der Fotografie – dokumentiert. Dieses Fotobuch ist ein Ergebnis einer mühseligen Sammelarbeit von Archivfotos und neueren Bildern. Die im Buch befindlichen 100 Fotografien von den Bohler Kellerreihen und dem Emmausgang wurden vom bekannten örtlichen Fotografen, Peter Máy, sortiert und bearbeitet. Die Zusammenstellung des Buches erfolgte unter der fachlichen Mitwirkung seiner Frau Lydia Máy und seiner Tochter Lili Máy. Der Emmausgang ist ein familiäres, inniges Fest der Stadt, dessen Stimmung dieses Album durchaus wiedergibt.
Dieses Fotobuch empfehlen wir allen, die sich für den Bohler Emmausgang interessieren, und diese schöne ungarndeutsche Tradition durch Bilder aus der Vergangenheit und Gegenwart kennenlernen möchten.
Emmausz. Húsvéthétfői vigasság a bólyi pincesoron
(Emmausgang. Emmaus – Feierlichkeiten an Ostermontag in den Kellerreihen von Bohl)
Bóly : Bólyi Kulturális Egyesület, 2021.
64. S., Ill.
Sprache: ungarisch
Die empfohlenen Bücher sind in der Sammlung der Ungarndeutschen Bibliothek – wenn nichts weiteres Angegeben – nur zur Leihe zugänglich.
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