Die Lektüre dieser Woche sind die Memoiren einer Frau aus einem kleinen Dorf imBakonyer Wald, die die Geschichte ihrer Familie und ihrer geliebten Heimat Ganna aufgezeichnet hat.
Es ist schwer zu definieren, welchem Genre dieses Buch zuzuordnen ist. Einerseits kann man es als Familienroman bezeichnen, denn wir können die Familiengeschichte von Anna Máhig geb. Grób, mit zahlreichen Wendungen von der Zeit des Kennenlernens ihrer Eltern bis zu ihrem 70-jährigen Hochzeitstag verfolgen. Andererseits ist es auch eine Chronik, da es durch detaillierte Beschreibungen von 1874 bis 1971 zeigt, wie die fleißigen Schwaben von Ganna waren, wie viel Arbeit und Mühe es sie gekostet hat, ihren Wohlstand zu erhalten und nach den Vertreibungen wieder zu erlangen, wie religiös orientiert sie waren, und wie sie die Vertreibung ihrer Verwandten und der Dorfbewohner ab 1946 überlebten. Drittens ist dieses Buch ein Erinnerungsbuch, das in zwei Teilen gegliedert ist: die erste Hälfte ist die Geschichte der Familie Grób auf Ungarisch, dann auf Deutsch, und die zweite Hälfte enthält die von Tante Náni aufgezeichneten Lieder, die bei der Bearbeitung nicht verändert wurden, so dass wir die Texte in der von den Gannaer Deutschen gesprochenen Mundart lesen können.
Die Autorin erzählt die Geschichte in Form eines lyrischen Ichs, gibt aber auch die Gefühle und Gedanken der Menschen um sie herum preis. 1930 wurde sie als dritte Tochter von Antal Grób und zweite Tochter von seiner Frau Anna geboren. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ihr Vater bereits die Hölle des Ersten Weltkriegs hinter sich und war in russischer Kriegsgefangenschaft. Sein Beruf war Schreiner, und obwohl er nie eine Ausbildung gemacht hatte, machte er seine Arbeit besser, als jeder andere Handwerker. Die schön gearbeiteten Säulen und Balken ihres Hauses wurden von allen bewundert. Tante Náni war von ihrem fünften Lebensjahr an sehr beschäftigt, zunächst nur mit der Hütung der Gänse. Im Alter von sechs Jahren kam sie in die Schule, wo sie Ungarisch lernen musste, weil ihre Lehrerin kein Deutsch sprach. Schon als kleines Kind fiel ihre Gesangsstimme und ihre besondere tiefe Klangfarbe bei Schulaufführungen auf, und später hieß es, wenn sie nicht immer auf dem Feld hätte arbeiten müssen, wäre sie eine großartige Sängerin geworden.
Dieses Buch gibt eine Fülle von Wissen dem Leser. Es befasst sich mit den Bräuchen, Sprüchen und Traditionen der Ungarndeutschen, vor allem aber mit denen der Kleingannaer, die wesentlich sind, um eine Volksgruppe zu kennen. Sie schildert auch authentisch, wie ihre Familie 1946 nicht vertrieben worden war, weil sie in der Volkszählung von 1941 behauptet haben, ungarischsprachig zu sein, was nicht stimmte, und wie ihnen später alles weggenommen wurde, was sie besaßen.
Wir empfehlen diese Publikation all jenen, die anhand der Geschichte einer Familie mehr über die Vergangenheit erfahren möchten, und dabei Parallelen zwischen der eigenen Familie und dem Schicksal der Ungarndeutschen suchen.
Máhigné Grób Anna: Egy boldog élet (Ein fröhliches Leben)
Pápa: Jókai Mór Városi Könyvtár, 2018
248 Seiten
Sprache: Ungarisch, Deutsch
Die empfohlenen Bücher sind in der Sammlung der Ungarndeutschen Bibliothek – wenn nichts weiteres Angegeben – nur zur Leihe zugänglich.
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