Ortsbilder

Umschlag des Buches

Die Lebensweise in einer „typischen” ungarndeutschen Siedlung hat sich im Großen und Ganzen zwischen der Ansiedlung der Deutschen im 18. Jahrhundert bis zu den bekannten Tragödien und Schicksalsschlägen um die Mitte des 20. Jahrhunderts nicht viel geändert. Die Ungarndeutschen führten ein bescheidenes religiöses Leben, wobei dessen Rhythmus und die Zeiteinteilung der Tage, Wochen und Monate von der Natur und der Kirche bestimmt waren. Die deutschsprachigen Bewohner der Städte, die vielerorts einst die Mehrheit ausmachten, erlebten andere Einflüsse und Änderungen. Sie waren der Industrialisierung und den im Reformzeitalter im 19. Jahrhundert ausgelösten Magyarisierungsbestrebungen viel mehr ausgesetzt. Diese Vorgänge waren in der am Ende des 19. Jahrhunderts zur Weltmetropole gewordenen Hauptstadt am eindrucksvollsten zu beobachten. Im Gegensatz zur fast unveränderten ländlich-bäuerlichen Lebensform der ungarndeutschen Dorfbewohner ist aber, zumindest bei der wohlhabenderen Landbevölkerung, eine Veränderung in ihrer Wohnsituation bzw. Sach- und Baukultur zu verfolgen. Dank des Wohlstandes fanden sich von verschiedenen neuen bürgerlichen Baustilen der Großstädte beeinflusste neue Bauweisen und Stile auch in den ungarndeutschen Dörfern wieder.

 

 

 

Der hier vorgestellte Tagungsband beinhaltet sechs aufschlussreiche Vorträge über verschiedene, vor allem aus dem deutschen Sprachgebiet erfolgte Einflüsse bzw. charakteristische Besonderheiten der ungarischen und ungarndeutschen Architektur. Im ersten Vortrag von Ingomar Senz werden die vor, während und nach den Revolutionen 1848/49 ausgelösten politischen und gesellschaftlichen Änderungen des späteren Deutschen Kaiserreichs und die der Habsburgermonarchie untersucht. Durch die ungarischen Magyarisierungsbestrebungen haben sich zwischen 1880 und 1910 rund zwei Millionen Menschen – darunter 600.000 Deutsche – zum Ungartum bekannt. Parallel und im Gegensatz dazu waren Kultureinflüsse der deutschen Romantik und des österreichischen Biedermeiers zuerst in der städtischen, dann auch im dörflichen ungarndeutschen Leben (vor allem in der Architektur und Sachkultur) zu beobachten. Ákos Moravánszky schildert in seiner Abhandlung die Charakterzüge der Architektur und das Wirken der größten Architekten (unter ihnen können wir über den deutschstämmigen Nikolaus Ybl oder Ödön Lechner lesen) der zum 20. Jahrhundert zur Metropole gewordenen Hauptstadt. Pater Martin A. Jelli stellt in seinem Beitrag die Änderungen des Dorfbildes von Schambek seit der Kolonisation bis zu den 1970er Jahren vor, als die Siedlung schon städtische Züge hatte. Paul Strifler charakterisiert die am Ende des 19. Jahrhunderts ausgelösten Entwicklungen in Elek und anhand der Abhandlung von Klaus J. Loderer kann man die städtebauliche Entwicklung in Almasch sehr eingehend kennenlernen. Die Reihe der Vorträge schließt der von Paul Ginder über die bäuerlichen Fachwerkbauten in Südungarn zwischen 1830 und 1919.

Diesen Studienband empfehlen wir allen, die sich für die ungarische und ungarndeutsche Architektur am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts und – unter anderem – für ihre Besonderheiten interessieren.

Klaus J. Loderer (Red.): Ortsbilder. Europäische Gemeinsamkeiten in der Architektur von Ungarn, Ungarndeutschen und Deutschen um die Jahrhundertwende
Kulturtagung der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn am 17. November 1990 in Gerlingen
Gerlingen : Stadt Geringen und Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn, Landesverband Baden-Württemberg, 1992.
96. S., Ill.
Sprache: Deutsch

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